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Was sind Obliegenheiten bei Versicherungen generell und in der PKV speziell?

Bei jedem Vertrag gibt es bestimmte Rechte und Pflichten, die beide Seiten betreffen. Bei der privaten Krankenversicherung (PKV) spricht man von "Obliegenheiten", die neben der Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Zahlung des Beitrags bestehen. Diese Obliegenheiten ergeben sich aus gesetzlichen Vorgaben und den Vereinbarungen im Vertrag. Welche Bedeutung es für den Versicherungsschutz hat, diese Obliegenheiten zu befolgen, zeigt dieser Artikel.

Es gibt in der PKV drei Arten von Obliegenheiten, die zu unterscheiden sind:

  1. Vor Abschluss des Vertrages, auch bekannt als Anzeigepflicht.
  2. Nach Abschluss des Vertrages, jedoch vor dem Eintritt des Versicherungsfalls.
  3. Nach Abschluss des Vertrages und nach Eintritt des Versicherungsfalls.

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Der Versicherer kann diese Obliegenheiten nicht direkt gerichtlich durchsetzen. Dennoch kann der Versicherungsschutz für den Versicherungsnehmer entfallen, wenn dieser die Obliegenheiten vorsätzlich oder grob fahrlässig missachtet.

Gemäß den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, den Musterbedingungen für die private Krankenversicherung (MB-KK 2009),  hat der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer bestimmte Pflichten, auch bekannt als Obliegenheiten:

Obliegenheiten vor Vertragsschluss - generell
  • Pflicht des Versicherungsnehmers i.S.e. Obliegenheit, dem Versicherungsunternehmen vor Abschluss des Vertrags die zur Risikobeurteilung und tariflichen Einstufung relevanten Informationen mit dem Versicherungsantrag zur Verfügung zu stellen.
  • Die vorvertragliche Anzeigepflicht ist gesetzlich im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt (§ 19 VVG)
Obliegenheiten vor Vertragsschluss - in der PKV
  • Bei Beantragung, Änderungen oder Wiederaufnahme eines Krankenversicherung-Vertrags ist der Versicherungsnehmer dazu verpflichtet, seinen aktuellen Gesundheitszustand sowie vergangene Krankheiten vollständig und korrekt anzugeben.
  • Diese Angaben müssen alle relevanten Details enthalten, die für die Bewertung des Risikos wichtig sind.
  • Als "relevant" gelten sämtliche Informationen, die im Versicherungsantrag schriftlich abgefragt werden, einschließlich Gesundheitszustand, Beruf, Alter und bestehender Versicherungsschutz.
  • Die Anzeigepflicht erstreckt sich auf alle dem Versicherten bekannten Umstände. Wenn er schwerwiegende Krankheiten verschweigt oder falsch angibt, verletzt er seine Pflicht zur vorvertraglichen Anzeige.
  • Die vorvertragliche Anzeigepflicht endet nicht mit dem Einreichen des Antragsformulars bei der Versicherung, sondern erst mit dem Abschluss des Vertrags durch den Versicherer. Das bedeutet, dass der Versicherungsnehmer alle ärztlichen Behandlungen und Änderungen seines Gesundheitszustands bis zum Erhalt der Versicherungspolice oder einer Annahmeerklärung des Versicherers melden muss.
  • Falls sich herausstellt, dass der Versicherte wesentliche Informationen wissentlich verschwiegen hat, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten oder ihn innerhalb eines Jahres anfechten. Sollte der Versicherer jedoch bereit sein, das Risiko weiterhin zu übernehmen, kann er einen Beitragserhöhung verlangen, um dem erhöhten Risiko gerecht zu werden.
Obliegenheiten nach Vertragsschluss - generell
  • Als oberste Obliegenheit eines Versicherungsnehmers ist seine Pflicht anzusehen, die Gegebenheiten, welche bei Vertragsschluss bestanden haben, nicht nachhaltig zu verändern.
  • Diese Gefahrstandspflicht bezieht sich insbesondere auf Risikoverhältnisse. Dies ist so zu verstehen, dass ein Versicherer nach Vertragsschluss entweder keine Gefahrenerhöhung vornehmen darf, oder diese – falls unvermeidbar - zumindest unverzüglich seinem Versicherer zu melden hat.
Obliegenheiten nach Vertragsschluss - in der PKV
  • Beim Abschluss oder bei einer Erhöhung einer anderen Versicherung muss die Einwilligung des Versicherers eingeholt werden.
  • Die Nutzung einer Versicherungs-Berechtigung in der gesetzlichen Kranken-Versicherung (GKV) muss dem privaten Krankenversicherungs-Unternehmen gemeldet werden.
  • Es ist erforderlich, jede Krankenhausbehandlung innerhalb von 10 Tagen zu melden.
  • In der Pflegekranken-Versicherung muss die ärztliche Feststellung der Pflegebedürftigkeit innerhalb von 30 Tagen gemeldet werden.
  • In der Pflegepflicht-Versicherung sind Änderungen der Pflegebedürftigkeit, der Pflegeperson oder des Pflegeumfangs sofort schriftlich zu melden.
  • In der Pflegepflicht-Versicherung müssen Krankenhausbehandlungen, stationäre Rehabilitationsmaßnahmen, Kur- oder Sanatoriumsbehandlungen, richterlich angeordnete Unterbringungen, Ansprüche auf häusliche Krankenpflege oder andere Leistungen Dritter gemeldet werden.
Obliegenheiten im Schadenfall - generell
  • Wenn etwas schief geht und ein Schaden eintritt, muss der Versicherungsnehmer den Versicherer sofort - unverzüglich - darüber informieren.
  • Wird die Meldung zu spät gemacht, ist der Versicherer nicht mehr zur Zahlung verpflichtet [AG München, 08.11.2007, 223 C 1445/07].
  • Zur Meldung gehört nicht nur die Information über den Schaden, sondern auch eine Beschreibung dessen, wie es passiert ist, sowie Angaben zur Höhe des Schadens.
  • Manchmal ist dafür ein Gutachten erforderlich.

  • Zur Anzeigepflicht gehört auch das korrekte und wahrheitsgemäße Ausfüllen eines Schadensfragebogens [OLG Nürnberg, 18.04.1996, 8 U 187/96], ebenso wie das Einreichen von richtigen Rechnungen.
  • Es müssen ausschließlich richtige Rechnungen eingereicht werden: Schon eine einzige falsche Rechnung führt zum Verlust des gesamten Versicherungsschutzes [LG München I, 16.11.2006, AZ 34 S 521/06].

  • Ebenso wichtig ist die Pflicht, den Schaden zu begrenzen und zu mindern.
  • Das bedeutet zum Beispiel, dass sich der Versicherungsnehmer nach einem Verkehrsunfall nicht vom Unfallort entfernen darf. Wenn er das doch tut, muss der Versicherer nicht zahlen [OLG Saarbrücken, 28.01.2009, 5 U 424/08].
  • Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen die Interessen des Versicherers nicht ernsthaft gefährdet sind [OLG Frankfurt am Main, 31.05.2006, 3 U 27/06].
Obliegenheiten im Schadenfall - in der PKV
  • Auf Anfrage des Versicherers muss der Versicherungsnehmer alle Informationen bereitstellen, die zur Feststellung eines Versicherungsfalles oder zur Klärung der Leistungspflicht erforderlich sind.
  • Auf Verlangen des Versicherers muss sich der Versicherungsnehmer von einem vom Versicherer beauftragten Arzt untersuchen lassen. Bei Krankentagegeld-Versicherungen muss dies innerhalb von drei Tagen erfolgen.
  • Der Versicherungsnehmer sollte bestrebt sein, Schadensminderungs-Massnahmen zu ergreifen und Handlungen zu unterlassen, die seiner Genesung hinderlich sind.
  • In der Krankentagegeldversicherung muss der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb der im Tarif festgelegten Frist, erbracht werden.
  • Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit muss ebenfalls innerhalb von drei Tagen gemeldet werden.
  • In der Krankentagegeld-Versicherung müssen Berufswechsel angezeigt werden.

Wenn der Versicherungsnehmer diese Verpflichtungen nicht erfüllt, stellt dies eine Obliegenheits-Verletzung dar. Es ist wichtig zu beachten, dass der Versicherungsnehmer auch für Obliegenheits-Verletzungen mitversicherter Personen verantwortlich ist.

Folgen einer Obliegenheits-Verletzung

Wenn der Versicherungsnehmer seinen in den Versicherungsbedingungen festgehaltenen Verpflichtungen nicht nachkommt, begeht er eine Obliegenheitsverletzung. Das bedeutet, wenn er einen Krankenhausaufenthalt, eine Arbeitsunfähigkeit oder eine Pflegebedürftigkeit nicht rechtzeitig meldet, sich nicht untersuchen lässt, geforderte Nachweise nicht vorlegt oder sich weigert, erforderliche Informationen zu geben, kann der Versicherer die Leistung verweigern.

Gleiches gilt, wenn der Versicherungsnehmer Massnahmen zur Schadensminderung unterlässt oder Handlungen vornimmt, die seine Genesung gefährden. Es sei denn, die Obliegenheitsverletzung beruht nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit seitens des Versicherten. In diesem Fall ist der Versicherer nur zur Leistung verpflichtet, wenn die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder die Leistungen hat.

Wenn der Versicherungsnehmer eine weitere Krankheitskosten-Versicherung abschliesst oder erhöht, ohne den Versicherer darüber zu informieren oder eine Genehmigung einzuholen, oder einen Berufswechsel nicht meldet, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats kündigen und von der Leistungspflicht befreit werden.

Allerdings wird der Versicherer nicht von seiner Leistungspflicht befreit, wenn die Obliegenheitsverletzung nicht vom Versicherten verschuldet wurde. In solchen Fällen ist eine Kündigung des Vertrags nicht gültig. In der Pflegepflichtversicherung kann der Versicherer bei einer Obliegenheitsverletzung gegebenenfalls einen Risikozuschlag verlangen.