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Praxis-Vollmacht

Plötzliche schwere Krankheit oder plötzlicher Tod des Praxisinhabers: Was wird dann eigenlich aus der Praxis?

Verstirbt plötzlich ein niedergelassener Arzt oder Zahnarzt, ist dies für die Familie, das Personal und Kollegen nicht nur mit großem Leid, sondern auch mit vielen Fragen von existenzieller Bedeutung verbunden. Wo befinden sich die wesentlichen Unterlagen zur Praxis, wer hat noch Zugriff auf die Praxiskonten und die Praxissoftware, wer übernimmt die Behandlung und was passiert eigentlich mit der Praxis selbst?

Über den Tod spricht man nicht gerne, schon gar nicht über den eigenen. Trotzdem sollten sich Praxisinhaber mit der Frage auseinandersetzen, was im Todesfall passiert. Wie soll die Praxisnachfolge geregelt sein? Mit dieser Frage haben sich die meisten Praxisinhaber leider noch nicht oder nur unzureichend befasst. Dabei geht es sowohl um die Versorgung der Erben als auch um das Schicksal der Mitarbeiter, wenn es zur plötzlichen schweren Krankheit oder zum plötzlichen Todesfall kommt.

Mit dem Erbfall geht auch die Praxis auf die Erben über

Mit dem Erbfall geht die Erbschaft „als Ganzes“ gemäß § 1922 BGB auf die Erben über. Dies gilt auch für die Praxisnachfolge. Hier sind nach der gesetzlichen Erbfolge neben dem Ehepartner auch alle leiblichen Kinder anteilig erbberechtigt. Besteht zwischen den Erben keine Einigkeit in den wesentlichen Fragen, verzögert die Konfliktlösung zwischen den Erben die Nachfolge. Daher sollten Ärzte und Zahnärzte generell über ein Testament nachdenken.

Stillstand führt schnell zum Wertverlust

In aller Regel können die Erben die Praxis jedoch nicht selbst fortführen, da es bereits an einer ärztlichen bzw. zahnärztlichen Approbation fehlt. Steht der Praxisbetrieb still, führt das schnell zum Wertverlust. Fehlt es an einer Praxis-Vollmacht, benötigen die Erben zudem zunächst einen Erbschein, um tätig zu werden. Sind auch minderjährige Kinder unter den Erben, hat das Familiengericht bei der notwendigen Veräußerung der Arztpraxis mitzureden. Das Familiengericht fordert dann i.d.R., dass zunächst ein Wertgutachten durch einen Sachverständigen/Steuerberater vorgelegt wird. Außerdem muss es den Praxiskaufvertrag genehmigen (§ 1822 BGB). Dadurch entstehen Zusatzkosten. Das Familiengericht braucht auch Zeit zur Prüfung. Die Zeit ist aber knapp, um die Praxis möglichst günstig veräußern zu können.

Bis der Erbschein vorliegt, sind den Erben die Hände gebunden

Hat der Praxisinhaber nicht durch Vollmachten über den Tod hinaus Vorsorge getroffen, herrscht also Stillstand, da keine wichtigen Entscheidungen getroffen, keine Nachfolge geregelt und unter Umständen nicht einmal Rechnungen beglichen werden können. Sind auch minderjährige Kinder unter den Erben, hat das Familiengericht bei der notwendigen Veräußerung der Arztpraxis mitzureden.

Praxis-Vollmacht und Testamentshinterlegung sorgt für Handlungsfähigkeit

Es ist daher ratsam, Erben oder einer sonstigen Vertrauensperson eine Praxis-Vollmacht zu erteilen. Auch sollte ein Testament beim örtlichen Amtsgericht hinterlegt werden. Mit einer Praxis-Vollmacht oder einer Hinterlegungsbescheinigung können Erben zusammen mit dem Totenschein alle wichtigen Entscheidungen in die Wege leiten und sind sofort handlungsfähig.

Zulassung endet mit dem Tod

Das ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass die Zulassung mit dem Tod des Arztes bzw. Zahnarztes endet. Zwar ist im Todesfall die vorübergehende Beschäftigung eines Vertreters möglich, allerdings häufig nur für zwei Quartale. Für die Beschäftigung eines Vertreters müssen die Erben des verstorbenen Praxisinhabers bei der KV bzw. KVZ eine Vertretergenehmigung beantragen. Ist ein Vertreter gefunden, ist es wichtig, dass dieser über eine ausreichende Berufshaftpflicht-Versicherung verfügt. Die Berufshaftpflicht-Versicherung des Praxisinhabers endet nämlich ebenfalls mit dessen Tod.

Arbeitsverhältnisse bestehen fort

Anders verhält es sich mit den Arbeitsverträgen. Die Arbeitsverhältnisse enden nicht automatisch mit dem Tod des Praxisinhabers, sondern bestehen weiter fort. Sie können aber von den Erben gekündigt werden. Darüber sollte allerdings nur dann nachgedacht werden, wenn die Praxis nicht von einem Vertreter zum Zweck der Nachfolgersuche fortgeführt wird.

Nachfolgeregelungen und ein Notfallordner helfen

Angehörige, Mitarbeiter und auch der Praxiswert können durch Vorsorgemaßnahmen geschützt werden. Es sollte daher einen Ordner geben, in dem alle wesentlichen Informationen und Unterlagen abgelegt sind und dessen Standort den nahen Angehörigen oder einer sonstigen Vertrauensperson bekannt ist.

In diesen Ordner gehören zunächst Praxis-Vollmacht, Bank-Vollmachten, Patienten- und Betreuungsverfügung und das Testament. Zudem sollten alle laufenden Verträge der Praxis enthalten sein. Dies betrifft zum einen Dauerschuldverhältnisse wie Darlehen, Steuern, Versicherungen, Miete, Pacht, Leasing, Telefon, EDV u.Ä. Darüber hinaus sollten auch die Arbeitsverträge des Praxispersonals aufbewahrt werden.

Außerdem dürfen die Kontaktdaten der wichtigen Berater, wie Steuerberater und Rechtsanwalt, Ansprechpartner des Versorgungswerks, der KV bzw. KZV und der Kammer sowie Telefonnummern von Geschäftspartnern, nicht fehlen. Gerade der Steuerberater sollte möglichst schnell informiert werden, damit beispielsweise die Gehälter weiter ausgezahlt werden. Außerdem müssen Mitgliedschaften und möglicherweise auch Verträge gekündigt werden. Ebenso sollten Passwörter, PIN-Nummern und sonstige wichtige Zugangsdaten enthalten sein, damit der Zugriff auf wichtige Daten gewährleistet ist. Den Erben ist außerdem mit einer Checkliste geholfen, die klar aufzählt, was zu veranlassen ist. Dort sollte beispielsweise enthalten sein, dass die Ärzte- bzw. Zahnärztekammer inklusive der Bezirksstelle für den Notfalldienst, die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung, das Versorgungswerk, Versicherungsunternehmen, Vereine und Verbände zu informieren sind. Auch der Ablauf der Vertreterbestellung und Tipps für die Nachfolgersuche sind hilfreich.

Vorsicht bei Berufsausüberungsgemeinschaften (BAG)

Ist der Arzt bzw. der Zahnarzt Gesellschafter einer BAG gelten Besonderheiten. Hier sieht § 727 Abs. 1 BGB vor, dass die Gesellschaft mit dem Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird. Dies kann zu erheblichen Aufwendungen und Verpflichtungen der Erben und auch der verbleibenden Partner führen. Zum einen müssen sich die Erben darum kümmern, den Gesellschaftsanteil des Erblassers zu verkaufen.

Zudem geht bei einem Eintritt der Erben in die Gesellschafterstellung die Haftungsverpflichtung des Erblassers in vollem Umfang auf sie über. Zum anderen gehen einzelne Verträge auf die verbleibenden Partner über und können dort zur finanziellen Belastung werden. Um diese Probleme zu vermeiden, ist es dringend notwendig, eine gesellschaftsvertragliche Regelung zu treffen. Diese sollte vorsehen, dass die Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt wird, der Geschäftsanteil des Verstorbenen von ihnen übernommen wird und die Erben im Gegenzug eine angemessene Abfindung erhalten.

Frühzeitige finanzielle Vorsorge für den Fall der Fälle

Die Aufwendungen der Erben oder dem Vollmacht-Nehmer sind auch finanzieller Natur. Sollte der Arzt bzw. der Zahnarzt noch nicht ausreichend Rücklagen geblidet haben, dies zu kompensieren, empfiehlt sich für den Fall des Versterbens eine Risiko-Lebensversicherung. Je früher diese vereinbart wird, desto geringer sind die Beiträge hierfür. So ist eine Versicherungssumme von 200.000 EUR mit einer Laufzeit bis zum 67. Lebensjahr eines heute 35-jährigen Arzt (Nichtraucher) für ca. 220 EUR p.a. zu vereinbaren (Stand Sep. 2022).

Doch auch schwere Krankheiten oder z.B.  ein Herzinfarkt, ein Koma nach einem Unfall oder eine Alzheimer-Krankheit und Demenz führen dazu, dass der Praxisbetrieb - mindestens vorübergehend; oftmals auch gänzlich - ruht. Hier bietet sich eine sog. "Keyman-Police" an, die in solch einem Fall die vorher definierte Versicherungssumme an die Bezugsberechtigten auszahlt. Für die Absicherung des finanziellen Verlustes mit einer Versicherungssumme von ebenfalls 200.000 EUR würde ein heute 35-jähriger Arzt (Nichtraucher) ca. 150 EUR p.M. zahlen müssen (Stand Sep. 2022). Abgesichert wären dabei folgende Krankheiten (Auszug):

  • Tumorerkrankungen (z.B. Krebs, gutartiger Gehirn- oder Rückenmarkstumor, Carcinoma in situ der Speiseröhre, Duktales Carcinoma in situ der Brust, Niedrig-malignes Prostatakarzinom)
  • Entzündliche Erkrankungen (z.B. chronische rheumatoide Arthritis, Systemischer Lupus Erythematodes, Schwerer Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
  • Erkrankungen von Herz oder Kreislauf (z.B. Herzinfarkt, Bypass-Operation am Herzen, Erkrankung des Herzmuskels (Kardiomyopathie), Herzstillstand, Operation zur Korrektur eines Herzfehlers, Ersatz oder Korrektur einer Herzklappe)
  • Erkrankungen des Gehirns oder des Nervensystems (Schlaganfall, Parkinson-Krankheit, Alzheimer-Krankheit und Demenz, Multisystematrophie, Progressive supranukleäre Blickparese, Creutzfeld-Jakob-Krankheit, Multiple Sklerose)
  • Erkrankungen, die durch den Verlust wichtiger Körperteile oder -funktionen gekennzeichnet sind (z.B. Blindheit/erheblicher Verlust der Sehfähigkeit, Schwerhörigkeit,Verlust der Sprache, Verlust von Händen oder Füßen,Lähmung von Armen und Beinen)
  • Sonstige schwere Erkrankungen (z.B. Aplastische Anämie, Intensivbehandlung, Koma, Leberversagen, Lungenerkrankung, Nierenversagen, Polytrauma infolge eines schweren Unfalls, Entfernung eines Lungenflügels, Transplantation von Knochenmark sowie großer Organe, Diabetes Typ 1)

Fazit

Durch eine Praxis-Vollmacht, eine testamentarische Regelung und - im Fall einer BAG - einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung erleichtert der Erblasser seinen Angehörigen die Abwicklung des Nachlasses. Außerdem stellt er sicher, dass die von ihm aufgebaute Praxis in seinem Sinn verwertet wird. Auch wenn sich viele nur ungern mit dem eigenen Tod befassen, ist für die Hinterbliebenen eine geregelte Nachfolge von erheblicher Bedeutung. Die finannzielle Absicherung der Hinterbliebenen und des Vollmachtnehmers sollte dabei immer mitbedacht werden.

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